N
un sind wir seit Jahren quasi mit deutschen Weinen verheiratet und dann das. Wie konnte es nur passieren? Bei unserem Gespräch mit Nóra Horváth in ihrem Lokal Spajz, hat sie uns Wein eingeschenkt, der augenscheinlich nicht "rein" war. Er war trüb, naturtrüb, ausgesprochen dunkelrot und sehr – gusto. Und unser Weinhorizont sollte sich unerwartet erweitern.
Neben einem ökologisch verantwortungsbewussten Anbau ist uns Regionalität von Lebens- und Genussmitteln ein wichtiges Anliegen. Daher haben wir eine ganz einfache Regel: wir trinken und berichten nur über Weine aus Deutschland. Inzwischen haben wir hier eine so große Vielfalt an guten Tropfen und modern, umweltbewusst arbeitetenden Winzern und Winzerinnen, dass wir hier gerne heimisch bleiben. Aber, wir wollen nicht päpstlicher sein als der Papst, schon gar nicht, wenn es um Italien geht. Wird uns ein Tropfen aus Europa angeboten, sagen wir natürlich nicht nein, diesmal hat es sich gelohnt. Dieser sponatn vergorene "Colombaia" aus der Toskana, 97% Sangiovese & 3% Colorino ist so voller Würze, Dichte und Charakter, dass wir mehr wissen möchten ...
„Vìn Beverìn ist venezianischer Dialekt und bedeutet auf italienisch "Vino Beverino". Auf deutsch übersetzt bedeutet es soviel wie “leicht trinkbarer Wein".
ANDREA
"Das Thema Naturwein ist in Deutschland noch recht unbekannt, darum ist meine Mission: Italienische Naturweine in Deutschland bekannter zu machen und die Vielfalt der italienischen Rebsorten zu zeigen."
Andrea ist Venezianer und zog erst 2017 nach Deutschland. Von Kindheitstagen an hat er einen Faible für gute, nachhaltige Küche. Seine Eltern besitzen ein italienisches Restaurant. Andreas' Mutter hat ihm schon früh mitgegeben, auf gute, nachhaltige Qualität zu achten. Hier liegen seine Wurzeln und der Grund dafür, dass er Food Culture & Communication an der SlowFood-Universität im Piemont studiert hat. Über die Beschäftigung mit nachhaltigem und bewusstem Umgang mit Lebensmitteln wuchs dann auch sein Interesse an Naturweinen.
LINA
"Während meiner Zeit in Italien habe ich nicht nur fließend Italienisch gelernt und einen tollen Italiener kenngelernt, sondern mich auch in die italienische Küche verliebt!"
Seit ihrer Kindheit fährt Lina regelmäßig nach Italien. So ist es nicht verwunderlich, dass sie nach dem Abitur zum Marketing Studium nach Mailand zog. Sie verliebte sich nicht nur in den tollen Italiener, sondern auch in die italienische Küche. So fand das moderne, neu geschriebene Märchen "drink, pray, love" seinen Anfang. Gemeinsam leben die beiden ihre Passion vom guten, genussvollen Leben. Liebe geht nun mal durch den Magen und durch die Kehle.
Wir treffen uns mit Lina & Andrea an einem Sonntag im Restaurant Spajz, das Nóra netterweise zur Verfügung gestellt hat. Noch ist das "Vìn Beverìn" ein Online-Shop & LieferService. Doch die beiden träumen schon von einem eigenen Ladengeschäft, in Zeiten nach "C".
Andrea umgibt der Geruch von frisch gebackenem Brot wie ein gutes Aftershave. In Freundes- und Bekanntenkreisen ist er für seine Backkünste berühmt und ich flirte ihn an, um eine Sauerteigkultur. Noch ist er taub auf diesem Auge.
Sie haben ein paar Flaschen aus ihrem Sortiment mitgebracht und wir machen es uns im Restaurant gemütlich. Zu viert haben wir genügend Platz für den gesunden Abstand. Während Andrea sich einen Pet Nat herauspickt und uns im Gegenlicht des Fensters die Ablagerungen zeigt, erzählt Lina, wie sie sich kennengelernt haben. Ihr Aussehen, ihr Temperament und ihre Lebensfreude lassen uns glauben, sie sei eine gebürtige Italienerin. (Andrea nickt bestätigend). Als wir dann erfahren, dass Linas Lieblingsregion Sizilien ist, ist das Bild perfekt.
Ein lauter Knall. Andrea hat die Hefen in der Buddel wohl ein wenig zu stark zum Tanzen gebracht, es regnet Wein.
"Solche Ablagerungen in den Flaschen können Spuren des Mostes sein, der in der Flasche bleibt, da der Wein beim Abfüllen nicht oder nur grob gefiltert wurde. Außerdem können sich die Hefen der Trauben nach der Fermentierung absetzen. Also keine Sorge, die Ablagerungen sind eher ein Anzeichen dafür, dass ihr ein Naturprodukt vor euch habt."
Der Pet Nat von Tiberi aus Umbrien, zu 100% Trebbiano hat eine angenehme Würze, etwas Honig und Heu – extrem süffig. Der illustrierte Grashüpfer auf dem Etikett passt gut zur Stimmung.
INFO: Pét Nat ist französisch und steht für “Pétillant Naturell” oder auf Italienisch “Sui Lieviti”. Im venezianischen Dialekt übrigens “Col Fondo”. Es handel sich hierbei um die Bezeichnung für einen Schaumwein bzw. eine natürliche Methode der Schaumwein-Produktion. Dieser Schaumwein hat meistens weniger Perlage als z.B. ein Sekt.
Bei natürlichen Pét Nats entsteht die Perlage durch die Fermentation in der Flasche. Diese wiederum entsteht durch die natürliche Hefe innerhalb der Trauben sowie durch den Zuckergehalt im Traubenmost. Diese Fermentation in der Flasche produziert extra Alkohol und CO2, die beide in der Flasche bleiben. Auch die Hefe bleibt in der Flasche und ist meist als Ablagerung am Flaschenboden zu sehen (die meisten Pét Nats sind nicht degorgiert).
Für uns steht Vìn Beverìn für authentische, süffige Weine, die Spaß machen!
Pinot Grigio, Primitivo, Chianti, das sind die (oft) guten, alten Bekannten auf unseren Getränkekarten. Lina & Andrea möchten euch das neue, das junge Italien vorstellen und die vergessene Vielfalt an italienischen Rebsorten zurückholen. Die beiden arbeiten ausschließlich mit kleinen Weingütern und Winzern zusammen: "Wir kennen jeden Winzer persönlich und garantieren: Unsere Weine werden mit viel Herzblut und natürlich nach höchsten Standards hergestellt."
Es ist Ihnen eine Herzensangelegenheit, deren Produkte, die sie schon fast als ihre eigenen empfinden, eine Öffentlichkeit zu geben. Sie sind Familienmenschen. Deshalb pendeln sie zwischen den Ländern, in beiden fühlen sie sich zu Hause.
Zum Schluss möchten wir noch wissen, was die beiden unter Naturwein verstehen, schließlich ist dies kein geschützter Begriff?
"Für uns ist Naturwein vor allem reiner Wein, der ohne viele Zusatzstoffe von kleinen Weingütern produziert wird. Naturwein steht für Authentizität, Tradition und Handwerk. Es ist also mehr als die Definition eines Weins, es ist eher Ausdruck einer Lebensphilosophie, die sich mittlerweile in vielen Bereichen der Gesellschaft und der Gastronomie durchgesetzt hat.
Wir finden es schade, dass immer noch zwischen Naturwein und “normalen”, konventionellen, biologischen oder biodynamischen Weinen unterschieden wird / werden muss. Allerdings ist vielen Menschen nicht bewusst, mit wie vielen Zusatzstoffen und technischen Tricks die meisten Weine behandelt und modifiziert werden.
Wir sind der Meinung, dass Wein generell nur aus Trauben bestehen sollte. Darum ist für uns Naturwein auch “normaler” Wein - der aber viel mehr Spaß macht. Probiert es selbst!"
Uns müssen die beiden nicht überzeugen, sind wir doch schon seit geraumer Zeit Naturweingenießer. Wir schätzen die Haltung der Winzer und wir würdigen deren achtsamen Umgang mit der Natur. Vielleicht kostet es zu Beginn ein wenig Überwindung, sich an die unterschiedlichen Geschmäcker und Gerüche zu gewöhnen. Lasst den Wein einfach etwas länger an der frischen Luft und probiert, was euch gefällt, dann darf es gerne auch einmal ein Wein aus Italien sein. Grazie mille und viel Erfolg euch beiden!