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Watt mutt, datt mutt: Wildwuchs

Manche Marken hat man direkt gern – weil alles stimmt: der Name, der Geschmack, das Gefühl, die Machart und die Macher. So erging es uns mit Hamburgs erster Bio-Brauerei “Wildwuchs”.
Fiete von der Wildwuchs Brauerei

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eute schon gefrühstückt? Nein, keinen Tropfen. An diesen alten Witz muss ich unweigerlich denken, als wir vormittags mit Fiete zum Interview verabredet sind. “Wollt ihr etwas trinken?”, fragt er mit einem Zwinkern und scheint überrascht, als ich mich nach kurzem Zögern für den Wachmoker entscheide.

Willkommen in Hamburgs erster und bislang einziger Bio-Bier-Brauerei. Bier trinke ich eigentlich nur wenige Male im Jahr, wenn es zum Essen oder zum Spiel passt. Zu einer Frikadelle oder einem Sauerkrautauflauf oder zum Nord-Derby. Ich bin Weintrinker und frage mich jetzt, warum das so ist und ob es in dieser Frage immer ein entweder oder gibt? Entweder trinkt man in der Bierliga oder man gehört zu den Weinliebhabern. Ob die auch wissen, dass Winzer recht häufig nach dem Traubensaft zum Hopfenstoff greifen? Heute dreht sich also alles um Bier und wir freuen uns drauf.

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“Wir produzieren ausschließlich Bio, weil wir finden, dass es besser schmeckt, und weil wir etwas für die Umwelt tun wollen.”

 

Diplom- Braumeister & Biersommelier Friedrich Carl Richard Matthies stammt aus Hamburg- Finkenwerder und wird von allen nur “Fiete” genannt, im Folgenden auch von uns.

Gemeinsam mit zweien seiner Brüder hat er 2014 das Familienunternehmen Wildwuchs Brauwerk Hamburg gegründet.  Angefangen haben sie in einer gepachteten Brauerei in Bleckede bei Lüneburg. Seit Ende 2018 brauen sie in ihrer eigenen Brauerei in Hamburg-Wilhelmsburg.

Durch das Fabrikgelände dröhnen die Bässe. Da warten wir noch vor der Tür und ziehen amüsiert an der langen Schnur, neben der “Klingel” geschrieben steht. Wildwuchs’ urban chic denken wir, als uns der nette Azubi die Tür öffnet. Begleitet von ihm und Hard Rock/Alternative Metal Sounds (wir sind da nicht ganz im Thema) geht es durch die Brauhalle in den urigen Schankraum.

Wildwuchs braut von Anfang an zu 100 % und ausschließlich Bio. Es ist keine Marketingstrategie, wie bei vielen Mitbewerbern, die einige Bio-Sorten im Programm haben, vorrangig aber konventionell produzieren. Nachhaltigkeit, ökologisches Bewusstsein ist Fietes Grundhaltung. Hier braut Überzeugung, wegen der Umwelt, den Tieren – uns Menschen. Glyphosat zum Beispiel kann schon im Urin von Säuglingen nachgewiesen werden. Seit 2017 ist Wildwuchs nach europäischen Richtlinien bio-zertifiziert. Das schmeckt!

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Der Wachmoker hat seinem Namen alle Ehre gemacht, munter stellen wir ein paar privatere Fragen:

  • Was treibt dich an?
  • “Na ja, wir wollen halt schon was mitgestalten mit der ganzen Geschichte. Wir machen aufmerksam darauf, dass man die Welt verändern kann. Ein Antrieb für mich ist es, eine Welt zu hinterlassen,  in der meine Kinder und deren Kinder sagen können, sie leben hier gern. Wenn man dann die Bilder von Greenpeace sieht, mit den vermüllten Stränden, das ist ein Albtraum.”
  • Was trinkst Du?
    “Na, am meisten Wasser. Am liebsten Bier.”
  • Mit wem möchtest Du gerne einmal essen gehen?
  • “Also gerade jetzt (Nov. 2020) würde ich mir vielleicht einmal Angela Merkel wünschen, weil ich gerne ein paar Entscheidungen begründet haben würde, die sie so trifft und die ja sehr weitreichende Folgen haben. Sie hat sicherlich irgendwelche Gründe dafür, die mir aber nicht klar sind, die ich nicht nachvollziehen kann.”
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Auch hier hat Corona seine Spuren hinterlassen. Fiete produziert den Großteil seiner Biere für die Gastronomie, die befindet sich gerade im Lockdown. Keine Verbesserung in Sicht. Gerade, als es so richtig rund lief. Keine Festivals, keine Gastronomie, kein Fassbier (60 % Anteil der Produktion ist Fassbier). Aber Fiete will sich nicht beschweren, lieber organisiert er Tastings, schwingt mit Freunden den Hammer für den Umbau seines Ausschankraumes  oder entwickelt neue Produkte.

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“Wer mit seinem Bier dem Menschen Schaden zufügt, wird in seinen Fässern ertränkt.”

 

Fiete mach lebendige Biere, das heißt nicht pasteurisiert, nicht filtriert, die Maische wird gekocht, die Hefe nicht.

Industriebier wird mit Kieselgur versetzt, um die Hefe herauszuholen und dann wieder gefiltert, damit es nicht mehr nachweisbar ist. Laut Fiete ist das Bier voller chemischer Rückstände. Das Reinheitsgebot ist ein Marketing-Gag, den es nicht braucht. Im Pariser Louvre kann man in Keilschrift aus Mesopotamien aus dem Jahr ca. 2000 v.Chr. eingehauen lesen „wer mit seinem Bier dem Menschen Schaden zufügt, wird in seinen Fässern ertränkt”.

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Mit 15 macht Fiete ein Praktikum bei Holsten, ab da wusste er, dass er Brauer werden wollte. Nach dem Abitur ging es nach Rostock, dort absolvierte er seine Ausbildung zum Brauer und Mälzer. Next Stop Berlin, für den Diplom-Braumeister. Die Reise geht weiter über Frankreich, Spanien, bis er dort ankommt, wo seine Wurzeln sind, in seinem Heimathafen Hamburg.

Die Biere von Wildwuchs stehen da eher auf Kurztrips:

Vom Schankraum aus können wir durch die Glastüren in die Brauhalle schauen, irgendetwas geht da vor sich …

Kupferfarbene Kessel, silberne Eimer, Schläuche und der freundliche Azubi, der offensichtlich auch seine Berufung gefunden hat.

Das Restaurant 100/200, bekannt für seine regionale und leidenschaftliche Küche, mit allem Respekt vor dem Klima, der Natur und den Gezeiten, schenkt ausschließlich das Wildwuchs Bier aus. Sternekoch Thomas Imbusch hat Fiete eine Kiste Zierquitten in die Hand gedrückt und gefragt, ob er daraus Bier machen kann. Fiete kann, ca. 30 Liter. Ein paar Tropfen dieses besonderen und einmaligen Quitten-Biers dürfen wir probieren, ein Erlebnis.

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Die Halle ist 580 qm groß. Es ist jetzt alles an einem Ort: der Ausschank, die Produktion, das Rohstofflager, das Vollgutlager, die Abfüllung.

Wir gehen hinüber zum Sudhaus. Aus einem der blitzenden Kessel bekommen wir einen Schluck heiße Würze zum Aufwärmen. Es schmeckt nach Hefe und Brot, vollmundig, lecker.

Wir bekommen eine Einführung in die Bierherstellung, die hier so abläuft, wie üblich – nur eben mit Biozutaten: Malz und Wasser werden miteinander vermischt und anschließend geläutert (eine Art sieben). Die Flüssigkeit wird dann zusammen mit Hopfen aufgekocht. Die entstandene Würze kommt unter Zugabe von Hefe in den Gärungstank. Hier reift es bis zu acht Wochen. Der Geschmack wird durch Menge und Beschaffenheit der Zutaten und durch die Gärzeit bestimmt. Den Treber (Rückstand vom Brauen) holen De Öko Melkburen ab und verfüttern es an ihre Kühe. Das ist Kreislauf.

Gut die Hälfte wird dann in Fässer abgefüllt, die andere Hälfte in Flaschen. Zu den Abnehmern zählen Hamburger Biomärkte und Gastronomiebetriebe.

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Auf der Webseite haben wir 10 verschiedene Biere gezählt. Warum gibt es diese Vielzahl?

Ein paar Holzfässer auf Paletten ziehen unsere Blicke magisch an. Was haben die nur mit Bier zu tun? “Die wenigsten wissen, was man mit Bier alles machen kann.” Zwetschgenwasser, Whisky, Mirabelle, Rum … In allen Fässern lagert das gleiche Bier. Fietes Experimentierkästen, er möchte wissen, was daraus wird. Und wollen das auch – gut Ding will Weile haben.

Die Stunden verrinnen wie im Flug. “Danke, lieber Fiete! Wir hätten nicht erwartet, dass Bier ein so spannendes und vielseitiges Produkt sein kann.” Da wir uns nicht entscheiden können, packen wir zwei Sixpacks mit verschiedenen Sorten ein – watt mut dat mutt.

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wildwuchs Brauwerk Hamburg

Friedrich Carl Richard Matthies