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ir wissen nicht, wie es euch (Nordlichtern) geht, aber das Spajz kannten wir bisher nicht. Eigentlich verwunderlich, hat Nóra Hórvath, Köchin und Inhaberin des kleinen Szenerestaurants in Barmbek, in den vergangenen vier Jahren schon eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut. Die ersten Gründe dafür machen wir bereits nach fünf Minuten aus. Nóras Augen versprühen eine herzlich Offenheit, sie ist direkt, unkompliziert und eine leidenschaftliche Gastgeberin. Dass sie auch noch extrem lecker kochen kann, werden wir später erfahren.
Nóra stellt zwei Flaschen auf den Tresen, wir entscheiden uns, auf ihre Empfehlung hin, für einen roten Italiener. Eine sehr gute Wahl (worüber ihr hier mehr erfahren könnt).
Spajz - der Name passt wie der Trüffel auf das Ei. Ausgesprochen wie 'speis', ist es das ungarische Wort für Speisekammer und auch wir können uns das Wortspiel nicht verkneifen: Die Köchin ist also ein echtes Spajz-Girl.
Die Hamburgerin hat ihre Wurzeln in Ungarn. Nóra ist in erster Generation „Deutsche“. Da sie optisch und sprachlich nicht auffällt, muss sie sich für ihre Herkunft auch nicht rechtfertigen. Die studierte Kultur- und Literaturwissenschaftlerin ist politisch sehr interessiert. Zu sehen und mitzuerleben, wie der Großteil der Migranten in diesem Land lebt, macht sie wütend und traurig.
Das Größte waren immer Familienevents mit gemeinsamem Essen
Nóra dachte ernsthaft über eine Karriere als Journalistin nach. Mit Ende 20 hat sie dann gemerkt, dass etwas fehlt. Der Wunsch, Köchin zu werden, geht auch auf ihre Familie zurück. Ihre Großmütter waren Selbstversorgerinnen. "Das Größte waren immer Familienevents mit gemeinsamem Essen. Ich habe häufig mit meiner Großmutter gekocht und viel von ihr gelernt." Am Schreibtisch zu sitzen, fühlte sich einfach nicht stimmig an. Mit 30 beschließt sie, eine Ausbildung zu machen, für ihre Eltern ist das schwer verdaulich.
Ihre Lehre zur Bio-Köchin absolviert sie in der Gutsküche Wulksfelde. Als größte Herausforderung entpuppt sich jedoch die Berufsschule. Hier gibt es eine Zweiklassengesellschaft: Jugendliche, zumeist aus prekären Familien und Azubis aus der Sterneküche, in der "Köche-plus-Klasse", die Nóra zum Schluss besucht. Als politischer Mensch mit Haltung und mit einer guten Portion Feminismus, schmeckt Nóra die Berufsschulsuppe so gar nicht. Sie kritisiert die fehlende Pädagogik, was auf wenig Verständnis stößt. Sie beendet ihre Ausbildung schließlich mit dem klaren Ziel, sich selbstständig zu machen.
Es folgt ein Praktikum im Nobelhart & Schmutzig in Berlin. "Billy und Micha waren die besten Chefs, die ich in der Gastro je hatte." Was ihr neben dem Nachhaltigkeitsanspruch und der Kreativität besonders imponiert, ist wieder einmal die Haltung: "Der Kunde ist nicht König, er ist zu Gast!" Das hat Nóra sich von Billy abgeschaut. Sie liebt es, Gastgeberin zu sein. Nach weiteren Stationen, u.a. im Vlet in Hamburg, war sie reif, die Zeit, sich selbstständig zu machen.
„Wenn jemand selbstbewusst in die Richtung seiner Träume fortschreitet und bestrebt ist, das Leben zu leben, das er sich erträumt hat, wird er unerwartet auf Erfolg in gewöhnlichen Stunden treffen.“
Henry David Thoreau
Vielleicht war es so, als Nóra der Laden in Barmbek quasi neben ihrer Wohnung vor die Füße fiel. Auch die Genehmigungen für die Ladeneröffnung waren glücklicherweise kein Problem. Der Erfolg war das, was folgte. Es lief vom ersten Tag. "Willkommen im Spajz. Wo die Familie is(s)t."
"Im Herzen von Barmbek bieten wir im Spajz eine Küche an, die ohne Grenzen Kulturen und Länder zusammenbringt. Die Produkte stehen im Mittelpunkt. Mit Demeter-zertifizierten Lieferanten, lokalen Produzenten, dem besten Brot und der Milch vom nahen Hof kocht Nóra jeden Tag Essen, das glücklich macht - handgemacht, ehrlich, mit viel Leidenschaft."
Nóra liebt es pur zu kochen, die Eigenheiten der Produkte sollen zur Geltung kommen. Geschmack ist rein, in sich geschlossen, nicht mit 5 kg Butter aufgepeppt. Ihre Lieferanten besucht sie selbst und pflegt persönliche Beziehungen zu ihnen. Überhaupt sind ihr Kontakte wichtig, Nóra ist hervorragend vernetzt und auch wir bekommen gleich ein paar Empfehlungen von ihr: „What goes around comes around."
"Ich achte sehr auf die Produkte, mit denen ich koche, darauf, wo sie herkommen und ob sie gerade Saison haben. Ich habe von Anfang an auf eine kleine Karte gesetzt und auf zugängliches Essen zum Wohlfühlen. Der Besuch im Spajz soll ein Gesamtpaket sein. Das heißt, dass Getränke, Stimmung und Service zusammenpassen. Meine Gäste sollen sich rundum wohlfühlen."
Nóra: Was darf in deinem Kühlschrank nicht fehlen, was magst du gar nicht, was sehr, was ist im Spajz immer vorrätig und was liest du gerade?
- „Was ich immer im Kühlschrank habe, ist Senf!“
- „Lakritze ist das Einzige, was ich nicht mag!"
- “Ich liebe Austern!”
- "Im Spajz habe immer Olivenöl, Salz, Ahornsirup, Rohzucker, Senf, Zitrone und sehr viele frische Kräuter."
- "Also ich mag gerne die Bücher von Elfriede Jelinek und Juli Zeh. Aktuell lese ich Die rote Köchin (eine Köchin, die im Bauhaus gekocht hat)."
Als es mit dem Restaurant losgeht, ist Nóras Ehefrau Hanne gerade hochschwanger, in Kürze wird die gemeinsame Tochter zur Welt kommen. Die kleine Marta ist inzwischen 3 Jahre alt und das Beste, was Nóra passiert ist. Ein Geschenk. Die Verantwortung übernehmen beide gerne, zu gleichen Teilen. In dieser männerdominierten Branche ist das in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, daher bemerkenswert. "In der Gesellschaft machen Frauen Cafés, Männer machen Restaurants, sind Chefs". Als wir dieses Thema vertiefen wollen, klingelt Nóras Handy, die Familie ruft ...
Bevor wir uns mit ein paar Kostproben vom legendären Mittagstisch (Nóra behauptet selbstbewusst, es sei der beste Hamburgs) auf den Weg machen, wollen wir wissen, welche Pläne sie für die Zukunft hat? Aktuell ist das eine schwere Frage, geht es für die meisten Restaurants nach Monaten der Schließung ums nackte Überleben. Nóra überbrückt diese Zeit mit vielen Projekten, u.a. kocht sie mittwochs auf Instagram. Wir haben selbst schon ein paar Mal daran teilgenommen und lieben ihr Sesam-Ofengemüse mit Joghurt-Tahini-Dip und CousCous.
Zurück zur Zukunft: Nóra möchte sich gastronomisch weiterentwickeln und wachsen. Sie fände es schön, das Kochen, ihr politisches Ich und Kultur zu verbinden. Klingt gut und wir haben keinen Zweifel daran, dass es gelingen wird. Eine letzte Frage: Was treibt Dich an? "Es wird jetzt auf jeden Fall super cheesy. Ich glaube, es ist die Liebe, also die Liebe zu dem, was ich mache, Liebe zu dem, was ich für andere Leute mache, die Liebe zu meiner eigenen Familie und die Liebe zu meinen Ahnen."
No more words. All the best, huge thanks and love!
Bistro Spajz
Nóra Horváth
- Flotowstraße 22
22083 Hamburg
Deutschland - +49 (0) 40 57222182
- www.spajz.de