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Smile, there’s wine

Natürlich darf ein Winzer in unserer “Erstausgabe” nicht fehlen. Wir haben uns für Andi Weigand entschieden. Er war der erste, den wir vor rund 6 Jahren kennengelernt haben und dessen Haltung und Arbeit uns noch immer überzeugt. Warum, lest ihr hier.
Andi Weignag

E

s ist schon dunkel, als wir nach gut 500 Kilometern vor der alten Stadtmauer im fränkischen Iphofen einen Stellplatz finden. Morgen früh sind wir mit Andi Weigand im Weinberg verabredet, es ist Mitte September und Lesezeit.

Am nächsten morgen werden wir von Regentropfen geweckt, die zunehmend lauter aufs Dach trommeln. Das wird wohl heute nichts, denke ich während, wir Andi eine WhatsApp schicken.

 

“Wenn ihr das echte Winzerleben erleben wollt, dann solltet ihr jetzt kommen.”

Natürlich wollen wir, schütten den Kaffee in den Ausguss und machen uns startklar. Der Regen nimmt weiter zu und ich frage mich, wie wasserdicht meine Kamera ist …

“Sind jetzt wieder im Weingut” lese ich dann auf dem Display, als wir gerade den Wagen starten. Mist. Sie mussten abbrechen und wir haben das echte Winzerleben wohl verpasst. Ich tröste mich (und euch) mit den Story-Bildern von Andis Instagram Seite. Wir bekommen einen Eindruck davon, was es heißt mit der Natur zu leben und zu arbeiten. Am Nachmittag soll es wieder aufhellen.

Silv1 Silv2

Nach einer Stunde wird der Regen weniger. Bis zum Treffen am Mittag haben wir noch etwas Zeit. Beim ersten Besuch im Weingut Weigand vor fast sechs Jahren haben wir nur den Weinkeller gesehen. Urlaub in der Weinstadt Iphofen in Franken ist eine Genuss-Reise für alle Sinne”, so wirbt die Gemeinde, das wollen wir testen.

Romantisch, ja pittoresk ist das kleine Städtchen ja. Etwas verschlafen auch. Die meisten Geschäfte, Gaststätten und Restaurants haben leider geschlossen, die wenigen anderen sind prall gefüllt mit weinseligen Touristen. Wir testen einen Italiener dessen Karte besser klingt, als das Resultat am Ende halten kann, und die Weinauswahl ist ausschließlich italienisch.

“Das ist das italienische Selbstverständnis, das wir Deutsche nicht haben.”

Du findest eher einen italienischen Wein in einem deutschen Restaurant, als deutsche Weine beim Italiener erklärt uns Andi später und findet das offensichtlich schade – wir auch. Il conto per farvore! Wir sind verabredet.

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Im Hof sieht es mächtig nach Arbeit aus. Und man hört es auch. Eine große Maschine rotiert laut konkurrierend mit den Beats aus der Lautsprecherbox. Vor kurzem hat man hier wohl noch zu Mittag gegessen. Neugierig schauen wir durchs Kellerfenster, dort ist man gerade dabei die Fässer zu reinigen. Wir freuen uns jetzt darauf endlich über Wein zu philosophieren.

Die Maschine rotiert noch immer, und durch die Trommel tropft stetig der Saft frisch gelesener Trauben in die Wanne. Wir sind im Frankenland und der Silvaner spielt hier eindeutig die Hauptrolle. Andi Weigand liegt diese Sorte besonders am Herzen, er hat ihr sogar seine Batchelorarbeit gewidmet: „Die Zukunftsaussichten der Rebsorte Silvaner”.

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Das ist mir wichtig!

Schon in den ersten Minuten wird klar, der Mann weiß (inzwischen) was er will. Er hat unter anderem bei Harald Brügel in Greuth und den Luckerts in Sulzfeld gearbeitet, bevor er in Geisenheim sein Studium der Önologie begann. Damals trafen wir einen der sogenannten “Jungwinzer”, der noch nach seinem Weg suchte. Heute sucht er immer noch, aber das Ziel ist klar, es geht inzwischen um Perfektion.

Was Andi macht, macht er konsequent und Hundertprozent. Das heißt: 100% Bio, 100% Handlese und 100% Spontangärung. Das erklärte 4. Ziel, 100% Holzfass wird er sicher auch in Zukunft erreichen, weil, das ist ihm wichtig.

Während wir uns unterhalten und Andi lässig, wie nebenbei, dennoch konzentriert, den Alkoholgehalt vom Most prüft, wuseln im Hintergrund einige junge, hippe Leute herum.

Ich bin ein Mensch der glücklich ist, wenn andere wiederum glücklich sind

 

Genauso wichtig ist ihm Kollegialität, dass man sich aushilft. Gerade jetzt in der Lesezeit, schickt er auch mal ein paar seiner Leute zu benachbarten Winzern, die helfende Hände gebrauchen können. Im nächsten Jahr schon kann es anders herum sein.

“Mit “guten” Menschen zusammen zu sein, geistiges Wachstum, voneinander zu profitieren, zu nehmen und zu geben, das erfüllt mich. Ich möchte hier eine große Wand machen mit Bildern von allen Menschen, die mir jemals auf dem Weingut geholfen haben, eine Art Ahnenwand. Die Kunden, die meinen Wein kaufen, sollen hierherkommen und sehen: all diese Menschen waren dabei. Ich bin ein Mensch, der glücklich ist, wenn andere um mich herum glücklich sind. Ich verkaufe hier nur Emotion.

Die Stimmung untereinander ist gut. Die Leute haben Bock. Manchmal kann ich es selbst nicht glauben, dass es so läuft, wie es läuft (er hält inne und will gar nicht weiterreden). Sobald man anfängt zu sagen, es ist gut, wirds wieder schlechter. Ich sag nie, dass irgendwas perfekt ist. Es ist in einem drin, dass wenn man sagt, es ist gut, dass es wieder schlecht wird.”

Absoluter Feminist

Seine Tattoos, die übrigens die meisten Menschen hier zieren, sind uns schon ins Auge gestochen. Wir wollen mehr wissen: Das Erste, das er sich stechen ließ, ist das Logo vom Weingut. W, wie Winzer, wie Weigand, wie Wein, wie wild …

Auf dem anderen Arm wurde eine Platte verewigt. Musik ist eine weitere Leidenschaft, die er früher sogar zu einem Beruf machen wollte (Gott sei Dank kam es anders). Später werden wir sehen, dass Musik noch immer eine wichtige Rolle spielt, hören können wir es jetzt schon.

Etwas tiefer auf den Schenkeln, ist eine Liedzeile des Rappers Kendrick Lamar verewigt “we gon’ be alright”. Auch auf der anderen Seite wirds politisch: “Das göttlich Weibliche” steht auf Englisch in Schreibmaschinenschrift zu lesen. “Ich bin ein absoluter Feminist”, sagt Andi. “In jedem Manne wohnt ja schließlich auch was göttlich Weibliches, außerdem ist es ein extrem gutes Album” (vom Rapper Mac Miller, wer es nicht kennen sollte).

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 Im Bernhardshäusle

Andi nimmt uns mit in, tja, wie sollen wir sagen, in die “heiligen Hallen”, Aufenthaltsraum, Gruft …? Sie nennen es “Bernhardshäusle” nach der letzten Besitzerin, die den Raum als Kartoffelkeller nutzte. Oben, im ersten Stock, ist das “Hotel zum wilden Bernhard”, die Unterkunft für die LesehelferInnen.

An der alten Ziegelsteinwand hängen leere Tabakbeutel, aufgereiht wie Trophäen, fast ausschließlich von einer Kultmarke gegen das Establishment der Zigarettenmultis und mit einem Hauch von Unabhängigkeit.

In der Ecke, wie zufällig, aber auch fast zu einem Kunstwerk drapiert, die Ausbeute der letzten Genussabende. Es ist wichtig, önologisch fit zu sein. Mindestens genauso wichtig ist es jedoch, einen großen Verkostungshorizont zu besitzen, um zu verstehen, was die großen Weine dieser Welt letztendlich aus- und sie so besonders macht. Nur dann kann man seine eigenen Visionen auch überzeugend umsetzen, davon ist Andi Weigand überzeugt. Soweit wir es erkennen können, stehen hier fast ausnahmslos Flaschen mehr oder weniger bekannter Naturweine, darunter natürlich auch die, von Weigand.

Schon sind wir im eigentlichen Thema: Naturwein. “Daran kommt man nicht vorbei und davon kommt man auch nicht mehr los, wenn es einen gepackt hat.” Aber was heißt das eigentlich, Naturwein?

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Die Menschen haben einen antrainierten Geschmack

Noch 2016 konnte man in der SZ einen Artikel lesen mit der Überschrift: “Leichte Kaninchenstallnote, aber bio”.  Inzwischen haben sich die Zeiten und das Bewusstsein geändert.

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Handarbeit ist ihm, ihr ahnt es schon, extrem wichtig. Er könnte es sich wesentlich leichter machen, aber erfüllen würde es ihn nicht.

Wenn ich eine Maschine einsetzen müsste, würde ich mir den Fuß abhacken, dann höre ich auf mit Wein

Ich bin ja so ein Karma Mensch

“Die Idee ist: möglichst vielen Menschen viel guten Wein zu geben, und das schafft man nicht, wenn man andere ausschließt. Man schafft das, wenn man sich untereinander connected und weiß, dass das jeder so sieht, man sich gegenseitig unterstützt. Und dann kommt immer was zurück. Ich bin ja so ein Karma Mensch. Ich glaub, dass wenn man viel gibt, kommt auch irgendwann was zurück.
Obwohl – dann kommt so’n Sch… Jahr wie jetzt: Du machst Bio und versuchst die Welt zu verbessern und dann trifft dich der Frost genauso wie den Giftspritzer nebenan …” Andi Weigand Tastery 0920 1 86 Andi Weigand Lese Tastery 0920 1 20 Andi Weigand Lese Tastery 0920 1 156

Jetzt wird gelesen

Das Wetter am nächsten Tag ist wie aus dem Bilderbuch. Wir bekommen die Koordinaten vom Weinberg und machen uns (früh) auf den Weg. Die Fahrt führt durch viele satte Weinberge und das GPS scheint verwirrt. Gerade als wir uns zu verirren drohen, dringen die bekannten Beats durchs offene Fenster. Wir folgen ihnen wir ein Spürhund der Beute. Nach wenigen Metern kommt die Truppe in Sicht, hier also spielt die Musik.

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Andi erklärt uns den “Golden Cut”, bei dem die reifen Trauben herausgeschnitten werden und die noch nicht reifen erst in ein paar Wochen an der Reihe sind. Dieses Jahr wird also zweimal gelesen. Eine Ausnahmesituation.

Während wir dem emsigen Treiben interessiert folgen, wundern wir uns ein wenig darüber, dass so viele Trauben gegessen werden?! “Ich ess im Herbst so unfassbar viel Trauben, sagt Andi. Ich schau mir die Kerne an. Wie lösen sie sich vom Fruchtfleisch, sind sie braun, sind sie grün? Wie schmecken die Trauben, sind sie intensiv usw. danach lesen wir dann.” Nun probieren wir sie auch und schnell wird klar, was er meint. Schade, dass es diese Ware nicht im Biomarkt gibt, dort bekommt man jetzt Tafeltrauben vornehmlich aus Südafrika, verrückt.

Wer sich eine Lese im Weinberg gemütlich, gar romantisch vorstellt, hat sich getäuscht. Hier geht es Schlag auf Schlag, ohne viel Worte, jeder Handgriff sitzt und wir bewundern das eingespielte Team. Schon hören wir Nick wieder rufen: EIMER! Den Fendt hat er flink nachgefahren und jetzt kippt jeder in kürzester Zeit seinen vollen Eimer mit bestem Lesegut in den Container. Das geht so lange, bis die Reihe zu Ende ist und die Nächste beginnt.

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Während das Team im Rhythmus weiterliest, nutzen wir die Gelegenheit, mit Werner Weigand selbst zu plaudern.

Wir erfahren, dass er stolz auf seinen Filius ist; dass er den Weg mutig findet und die ganze Familie hinter ihm steht; dass er auch immer noch dazu lernt und dass Andi jetzt alles das macht, von dem er noch gelernt hat, dass es eigentlich nicht geht. Auch die Traube fällt also nicht weit vom Rebstock. Ach ja, fotografiert zu werden sei nicht so sein Ding, meint er, dem widersprechen wir allerdings.

Bye, bye

Langsam wird es Zeit, wir müssen uns verabschieden, wollen aber noch wissen, wie die Zukunft aussieht. Die schlechte Nachricht zuerst: Es gibt bis Juli keinen Wein. “Ich finde das eigentlich ziemlich cool. Es war immer mein ganz großes Ziel, im Vorhinein ausverkauft zu sein. Jetzt hab ich es erreicht und es nervt auch.” Wir finden es natürlich sehr schade, freuen uns aber umso mehr über ein Exemplar vom raren “Skin”.

Wo soll deine Reise zukünftig hingehen?
“Eigentlich will ich, dass es so weiterläuft, wie es jetzt ist. Dass auch nächstes Jahr in der Weinlese so viele Leute kommen. Was mir weiterhin sehr wichtig ist, dass ich Menschen inspiriere, dass ich ihnen ein Vorbild bin (in meiner kleinen Blase hier). Vom Wachstum her: Ich will nicht größer werden. Das Weingut passt mir so, wir haben mittlerweile 10 ha, mit schönen alten Weinbergen. Noch präziser werden vielleicht noch mehr Biodynamie und irgendwann alles auf Naturwein umstellen.”

Wenn wir uns die Entwicklung und seine Persönlichkeit so ansehen, hegen wir keinen Zweifel daran, dass er seinen Weg weiter erfolgreich gehen wird. Wir lassen die Drohne noch einmal steigen, packen zusammen und machen uns auf den Weg. Auf diesem überholt uns Andi dann mit dem Trecker und mit ein paar vollen Containern mit Trauben. Wir freuen uns jetzt schon auf den Sommer.

Weingut Weigand

Andi Weigand