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igentlich wollten wir nur kurz anhalten, um uns für den morgigen Termin zu verabreden. Im Käseladen stöbern wir durch wollige Felle und mollige Jacken, können uns aber noch nicht zu einem Kauf durchringen, da es draußen ebenfalls mollige 28 Grad im Schatten sind. In der anderen Ecke, an der Käsetheke lädt uns eine freundliche Mitarbeiterin zum Probieren ein. Es gibt edle Lammsalami, “Frischen Friesen”, “Roten Friesen” und “Schwarzes Schaf”. Davon packen wir schon mal einige Pakete ein, schließlich geht es später noch an der Strand.
Redlef und Monika Volquardsen beginnen zu erzählen, wie sie den elterlichen Bioland-Rindermastbetrieb Schritt für Schritt zu einem Milchschafhof mit Hofkäserei umgewandelt haben.
Es ist ein wunderbarer Tag, Schäfchen am Himmel und auf der Weide – wir beschließen zu bleiben.
Eiderstedt ist strukturschwach. Es braucht den Tourismus. Auch deshalb gibt es auf dem Hof der Schafskäserei Führungen. Im Hofladen kann man Felle und Wolljacken aus Mulesing-free-Wolle* kaufen, in Deutschland genäht. Man verkauft auch Produkte von anderen Schäfereien und Schafskäsereien, um mehr gute Produkte in den Markt zu bringen.
(*Mulesing, ist ein Verfahren, das größtenteils bei Merinoschafen angewandt wird. Hierbei wird jungen Lämmern im Bereich des Schwanzes ein Stück Haut mit einem speziellen, sehr scharfen Messer entfernt. Dadurch bildet sich eine glatte, wolllose Narbenfläche auf der Fliegen keinen Nistplatz für ihre Eier finden. Das große Problem ist, dass Mulesing ohne Schmerz- und Betäubungsmittel erfolgt.
Transparenz
Während wir über die Naturschutzwiesen stapfen, erfahren wir, was ihnen bei der Arbeit wichtig ist. Transparenz ist wichtig! Ein Bäcker aus der Gegend hatte seine Bioqualität angepriesen. Doch so nach und nach, fast unbemerkt und ungesagt, wurde die Qualität wieder auf konventionell umgestellt, aus vielen Gründen. Wo Bio drauf stand, war es nicht mehr drin.Für Monika und Redlef untragbar. Transparenz ist das erste Gebot nach außen. Dafür lassen sie sich dann auch nach Bioland Kriterien, einem der höchsten Standards in Deutschland, immer wieder auf Halm und Käse überprüfen.
Und damit nicht genug. Es ist ein streitbares, engagiertes Paar, das sich hier in Tetenbüll niedergelassen hat. Es geht um Verantwortung für Tiere, Menschen, das Klima, die Natur. Das ist alles eins. Dafür streiten und kämpfen sie. Sind bereit in Gremien, Bundesfachausschüssen, Verbänden mitzuwirken, sich einzusetzen. Klären auf und sind mutige Vorreiter. Auch für ihre Kollegen, von denen sie einst heftig kritisiert wurden und die sich heute über die Nutznießung der EU- Maßnahme Natura 2000* freuen.
(*Mit dieser Maßnahme werden landwirtschaftliche Betriebe in Gebieten unterstützt, deren ausgewiesene landwirtschaftliche Flächen in der Gebietskulisse Natura 2000 liegen. Vorrangiges Ziel ist der Erhalt der Artenvielfalt.).
Wir begleiten Familie Volquardsen gemeinsam mit ihren Hunden und unserem Willy zu den Schafen. Unkupierte, “beschwanzte” Damen und Herren eine Seltenheit. Es ist üblich, den Tieren in den ersten Lebenswochen den Schwanz zu kupieren. Mit gesetzlicher Erlaubnis ohne Narkose. Den Schwanz von Insekten und dadurch bedingt mögliche Krankheiten sauber zu halten, bedeutet Aufwand.
Eine Herde voll Mädels mit ihren Kindern und Norbert. Ein Prachtexemplar von einem Schafbock, der auch uns von seiner Unwiderstehlichkeit überzeugen möchte. Auf eine liebevolle Art. Doch sein eigenes “Parfum” (das man kaum aus der Kleidung entfernen kann), lässt uns ein wenig auf Distanz gehen. Immer nur den Rücken kraulen, nur nicht an den Kopf kommen. Immer nur den Rücken kraulen, nur nicht an den Kopf kommen. Immer nur den Rücken kraulen, nur nicht an den Kopf kommen …
Dann ertönt ein Pfiff über die Weide und die gesamte Truppe setzt sich unverzüglich in Bewegung im Schafsgalopp. Es braucht keine Überredungskünste, die Schafe kennen den Weg und scheinen sich auf das zu freuen, was sie erwartet, den Melkstall. Die wachen BorderCollies braucht es ebenfalls nicht. Die sind fast mehr damit beschäftigt, mit unserem Willy zu toben und ihm das kleine 1×1 des Hütehundes beizubringen. Er ist in diesem Moment der glücklichste Hund der Erde.
Im Melkstall stehen die Damen geduldig an, um sich melken zu lassen. Norbert schaut dem Treiben gelassen zu. Im Anschluss sammeln sie sich in kleine Gruppen und spazieren wieder völlig eigenständig die knapp 500 m zurück auf ihre Wiese. Nur einmal halten sie kurz an, weil ich am Rand mit der Kamera stehe, was sie irritiert. Es sind eben auch Gewohnheitstiere.
Ein Schaf gibt pro Jahr ca 250-300 Ltr. Milch und die knapp 70 Ltr., welche sich die Lämmer holen.
Natürlich werden auch hier hin und wieder Schafe geschlachtet. Das gehört zum Kreislauf dazu. Redlef meint, es sei ihr Schicksal, irgendwann gegessen zu werden. Für Volquardsen ist es selbstverständlich, dass dies im Tempo der Tiere mit Ruhe und Respekt passiert. Bei einem Schlachter ihres Vertrauens, zu dem sie die Tiere selbst bringen.
Sie achten sehr darauf, welche Tiere, wann diesen Weg gehen. Die Schafe sind das ganze Jahr bei “ihrem” Bock. Sollte das zum Schlachten gewählte Tier dann trächtig sein, dann wird das nichts. Was hier so selbstverständlich klingt, ist es leider nicht!
Erst soll das Lamm auf die Welt kommen und einen guten Start ins Leben haben. Das bringt kein Geld, das kostet, doch so ist es stimmig. In der konventionellen Landwirtschaft ist es erlaubt und üblich, dass die trächtigen “Nutztiere” bis zum letzten Drittel vor dem Kalben/Lammen geschlachtet werden. Für Volquardsen aus ethischen Gründen unhaltbar.
Monika kommt deutlich hörbar aus dem tiefsten Süden, nah der Schweizer Grenze. Vom Fuß der Alpen aufs platte Land. Es brauchte mehr als ‘nur’ die Liebe. Es brauchte eine gemeinsame Passion. Sie haben sich im Studium kennengelernt und wussten von Anfang an, was sie wollten. Hätte es in Friesland nicht geklappt, wären sie auch weiter gezogen.
“Seid ihr politisch?Ja!, darum machen wir das Ganze.
Wir wollen auch bisschen die Welt verbessern. Was steht für euch dahinter?
Haltung ist zu wenig. Es ist der Wunsch, durch Beispiel und Vorleben die Welt zu verändern. Nicht mit dem Zeigefinger. Einfach durch konsequentes Vorleben.”
Auf dem Heuschober
Auf dem Weg zum neuen, artgerechten Schafstall begegnen wir Karl dem Hahn. Er wurde vor Jahren ausgesetzt und lebt allein auf dem Hof. Seine Mädels sind die Schafe.
Ein leckerer Geruch von Heu und Wildgräsern kommt uns entgegen. Immer der Nase nach klettern wir die steile Holztreppe hinauf auf den Heuschober, die Hunde folgen uns tapfer.
Die Schafe bekommen ausschließlich gutes, frisches Gras und Heu, ohne Plastik, auf dem Schober geschützt vor Wind und Wetter und voll mit feinsten Blättern. Für diesen Traum haben sich die Volquardsens finanziell weit aus dem Fenster gelehnt. Für sie ist es eine Investition in ihre Zukunft und Gesundheit.
“Es macht mir Freude zu sehen, mit welcher Begeisterung die Tiere das fressen”, sagt Redlef ernst und wir bekommen eine Gänsehaut.
Wir sind bei der Friesischen Schafskäserei zu Gast, höchste Zeit also für einen Abstecher in den Käsekeller!
Was sich hier so lapidar liest, nimmt doch einige Zeit in Anspruch. Das ist der Hygiene geschuldet, die die Fachfrauen hier sehr ernst nehmen. Es dauert eine Weile, bis sich die passenden Hauben und Stiefel gefunden haben. Vorsichtig, Schritt für Schritt, geht es die rutschige Treppe die Stufen hinab. In einem Behälter mit Salzlake schwimmen “Frisakis”, auf dem Regal daneben kuscheln “Schwarze Schafe”, Weichkäse in französischer Pappelasche gereift mit Edelschimmelkulturen. Eine Tür weiter lagern, auf traditionellen Holzregalen echte “Goldtaler”, Schnittkäse, der durch das handwerkliche Abfüllen und Pressen unter Molke ein zart festes Gefüge, fast wie ein Hartkäse bekommt. Kunst kommt von Können. Hier unten, im sensiblen Klima des über 400 Jahre alten Gewölbekellers wird mit Handwerkskunst das eigentliche Produkt des Hofes produziert. Doch die Liebe gehört nicht allein dem Käse. Die Liebe gehört dem Schaf.
Sollte es euch mal nach Nordfriesland verschlagen, dann lohnt es sich, einen Abstecher zur Familie Volqardsen einzuplanen. Ihr Biolandhof wurde übrigens als einer von gut 200 Biohöfen in Deutschland zum „Demonstrationsbetrieb des ökologischen Landbaus” ernannt.
Wir sagen von Herzen DANKE für einen wundervollen Tag, der uns noch lange in Erinnerung bleiben wird. Auch hier haben wir den “guten Geschmack” gefunden, bei der Transparenz und Offenheit wurde es uns leicht gemacht.
Friesische Schafskäserei
Monika und Redlef Volquardsen
- Kirchdeich 8
25882 Tetenbüll
Telefon: 04862 348
www.friesische-schafskaeserei.de