Eigentlich hatte uns Markus Shimizu von “mimi ferments” schon abgesagt. Der Herbst macht sich auf den Straßen und in den Hälsen der Menschen breit. Doch wer traut sich heute noch leicht erkältet zu sein? Ein Mitarbeiter von Markus schon, und das will von dem kleinen Team aufgefangen werden. Als er realisiert, dass wir auch um seinetwillen von Hamburg nach Berlin fahren, sagt er zu. Wir sind erleichtert.
Shoyu, Miso, Koji, Natto, Mirin – Japanisch-Fermentiertes liegt im Trend. Für uns ist das Ganze noch ein Buch mit sieben Siegel. Fermentation klingt schon merkwürdig und irgendwie nicht nach Essen, sondern nach Chemie oder Medizin. Eine Mischung aus Labor und Hexenküche macht sich in unserer Vorstellung breit und ändert sich erst einmal auch nicht, als wir durch die Tür des Ladengeschäfts in Berlin Moabit treten. Uns kommt zart ein leicht warm-säuerlicher Geruch entgegen. Fremd, aber irgendwie doch lecker.
Als ich die vielen Holzfässer sehe, mit Aufschriften französischer Weingüter, wird mir schon wieder warm ums Herz. Hier lagern also die Schätze, die in den Sterneküchen Berlins und weit über deren Grenzen hinaus von Shimizu hergestellt werden.
Hier geht es um eine Handwerkskunst, die uns, wollen wir sie wirklich verstehen, zu Expert:innen in Lebensmittelkunde, Biochemie und Heilkunde macht. Fermente (Enzyme) sind Bio-Katalysatoren. Sie werden zum Würzen, Marinieren, zum weiteren Fermentieren von allen Arten von Speisen, Gemüse, Fisch, Fleisch, Getreide genutzt.
Markus ist Halb-Japaner und passt in das Bild eines modernen Asiaten, ruhig, zurückhaltend, freundlich, aufgeräumt und kreativ. Kein Wunder, schon bevor er begann sich mit Vergorenem zu beschäftigen, hat er Kunst studiert. Und irgendwie sieht das, was in den Regalen steht, auch aus wie Kunst. Unzählige handbeschriftete Weckgläser mit morbid anmutendem Inhalt. Doch es lebt! In den Gläsern arbeitet es gewaltig, hier finden die Prozesse statt, die Geschmäcker zaubern, die man umami nennt. Unglaublich.
„Koji ist Inspiration: Alles ist möglich. Mit Koji kann man alles machen (alles verschimmeln) Produkte, die aus der Küche nicht verarbeitet, genutzt wurden, können mit Koji fermentiert werden.”Markus Shimizu
Markus setzt sich auf eine minimalistische Holzbank, war ja klar und ebenso klar erzählt er von seiner Arbeit. Man merkt sofort, dass diese viel Erfahrung und tatsächlich auch tiefere Kenntnisse chemischer Prozesse erfordert. Doch fangen wir vorne an:
Bereits als Teenager hat Shimizu damit begonnen, sich vegan zu ernähren. In den 90ern nicht gerade ein Zeichen von Sexyness und nicht einfach zu leben. Gute Produkte und Proteinquellen waren nur schwer bis gar nicht zu finden. Als Halb-Japaner (seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Japaner) der in dieser Kultur auch zu Hause ist, die Sprache spricht, war es für ihn nur natürlich, in die japanische Speisekammer zu schauen. Tofu, Tempeh und Miso gab es in den Asia-Läden, doch nicht in der konsequenten Bio-Qualität, die für Markus gesetzt ist. Wenn man mit dem Fermentieren beginnt, ist es wenig Arbeit. Man schafft eine saubere Umgebung, nimmt qualitativ hochwertige Ursprungsprodukt (bei Koji ist es Reis) und lässt den Pilze währen. Ein gutes Ferment braucht auch seine Zeit. Je nach Endprodukt zwischen 1 Tag oder mehreren Jahren.
„Alles, wo man Abkürzungen nimmt und an der Verarbeitung spart, ist Qualitätsmindern und schlecht für die Gesundheit. Die Natur braucht ihre Zeit.”
Als Kind hat er durch den Beruf seines Vaters viel Zeit auf verschiedenen Kontinenten zugebracht. Ihm ist es wichtig, viel aus den Kulturen anderer Welten zu verstehen, sich anzueignen und in seine Arbeit einfließen zu lassen. So wurde aus dem Veganer ein (manchmal) Alles-Esser, wenn auch nur, um dem jeweiligen Gastgeber seinen Respekt zu zollen. Natürlich ist Essen Genuss. Doch es ist eben mehr. Es ist auch Kultur. Und es ist Medizin. Wir agieren mit Lebens-Mitteln.
In Brasilien, Indien, Niederlande und Deutschland hat Markus studiert. Seine Arbeiten waren in Ausstellungen auf allen Kontinenten zu Gast, doch von Kunst zu leben ist noch immer ein hartes Brot. Mit der Produktion seiner Fermente hatte er eine vermeintlich gute Einnahmequelle gefunden. Das daraus einmal seine Lebensgrundlage werden würde, hat er nicht geahnt. Hier kam wohl zusammen, was zusammen gehört.
Markus lebt seit nunmehr 30 Jahren konsequent „bio”. Das bedeutet für seine Produkte zum einen eine hohe Reinheit. Es ist aber auch eine Haltung, die er lebt. In unserem Gespräch merken wir, dass vieles in seiner Arbeit einen Sinn ergibt und miteinander zusammenhängt.
“Wir haben etwa 60 kg Hähnchenschenkel, 60 Liter Hühnerbrühe und viel Eiweiß vom Rutz bekommen. Dann fügten wir etwas gerösteten Weizen Koji hinzu, um etwas herzustellen, das an Oyakodomburi erinnert: Ein japanisches Gericht namens “Schüssel für Eltern und Kind”, das mit Huhn und Ei auf Reis zubereitet wird. Für dieses Rezept wurde kein Reis verwendet, sondern etwas Demeter-Weizen, das Hühnerfutter hätte sein können. Angesetzt wurde dieses Hähnchen-Garum in einem alten Weinfass, das so an das Rezept von Coq au Vin erinnert.”
Längst ist die Fermentation in die Küchen der Chefs zurückgekommen. Es gibt kaum eine angesagte Edel-Gastronomie, die nicht mit Markus zusammen Arbeit. Die jetzt zu nennen, würde sich eher wie ‚Namedropping’ lesen und seiner Kunst nicht gerecht werden.
In den letzten nun fast 16 Jahren hat Markus sich zu einem Meister seines Fachs entwickelt und ein Ende ist nicht in Sicht. Das Ladengeschäft in Moabit wird langsam zu klein. Zu klein für die Küche, die vielen alten Wein- und Whiskyfässer, Steingut- und Glasbottiche. Ein Ort für ein eigenes mimi-FoodLab ist bereits gefunden.
Heute ist Markus 43 Jahre alt, Vater von 2 Kindern, und sieht aus wie Anfang 30. Unfassbar! Auf die Frage wie das geht, deutet er auf ein kleines Fläschchen mit Öl und sagt: „Fermente” . Selbstredend haben wir uns mit seinen Kojis, Misos, Ölen eingedeckt. Ich finde, es wirkt schon!
mimi
Markus Shimizu
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Deutschland - Telefon: 030 58 70 93 78
- www.mimiferments.com