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Was machen ein Deutscher und eine Finnin in Schweden? Verdammt gutes Brot!

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ie soll man dieses Kleinod im Süden Schwedens, in Skåne, bezeichnen? Es ist mehr als eine Bäckerei. Und es ist mehr als ein Café. Die „Loshult Handelsbod” ist ein Kulturort, in dem es freitags und diesen Sommer auch noch samstags und sonntags, nach frisch gemahlenem Kaffee, nach leckeren Kanelbulle und frischem Brot duftet. Draußen im idyllischen Garten treffen sich Menschen vieler Nationen, Familien mit Kindern, Hunden, sogar Katzen und Hühner. “Landlivet” pur.

Als ich zum ersten Mal durch das Dörfchen fuhr, das 91 Einwohner zählt, war das Ziel eine kleine Holzbude, das Brothaus. Ab 12 Uhr lagerten hier die frischen Backwaren. Es sah nicht nur bezaubernd aus, es roch auch verführerisch. Ich packte ein paar Tüten und zahlte damals schon mit dem Handy, per Swish. Am Haus dahinter flatterte auf einer langen Leine weiße Wäsche und lud zum Fotografieren ein. Etwas vorsichtig, aber neugierig sahen wir uns um, und hörten plötzlich eine deutsche Stimme, die aus dem Fenster rief. Das war Raphael, und er lud uns ein, uns umzusehen.

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In den vergangenen drei Jahren hat sich einiges getan. In Handarbeit und mit viel Liebe zum Detail haben Salli und Raphael den Supermarkt von 1820 restauriert. Das Haus gehörte einem älteren Paar. Als die Frau verstarb, hat ihr Mann noch versucht, es weiter zu erhalten. 10 Jahre lang war es ein Loppis. Solche „Flohmarktläden” gibt es häufig in Schweden. Leider wurde alles gehortet, nichts wurde weggeschmissen, über die gesamte Zeit wurde jeder Milchkarton aufgehoben. Als der alte Mann ins Altersheim kam und wollte er verkaufen. Raphael und Salli hatten als Nachbarn den Schlüssel und ein Auge drauf. Es gab ein Bieterverfahren und weil es optisch so charmant war, auch viele Interessenten aus Stockholm, die es ohne Besichtigung sofort gekauft hätten. Die Gefahr war groß, dass man wegen der Schönheit des Grundstücks das Haus einfach abgerissen hätte, zumal es in einem renovierungsbedürftigen Zustand war. Der Makler hatte ihnen damals den Zuschlag gegeben, weil er wollte, dass das Ursprüngliche erhalten bleibt.

Wir haben uns zum Interview verabredet. Draußen scheint die schwedische Sonne und Raphael verrät uns, dass er später noch zum Paraglidern will. Irgendwie strahlt dieser Mann immer.

Blog Beitragsbild Rand Loshult Raphael, gebürtiger Nürnberger, war selbstständig, viel gereist und hat 6 Jahre lang IKEA Einrichtungshäuser in der Welt aufgebaut. Er war in Tokio, in Hongkong, in Russland in vielen anderen Städten und ist dann für IKEA Communications (die globale Marketingagentur) nach Schweden gekommen. Schnell hat man ihn dann gefragt, ob er nicht fest im Mutterhaus in Älmhult arbeiten möchte. Gerade 30 Jahre alt geworden, passte das gut in sein Lebenskonzept.
Zuerst hat er sich ein Haus mitten im Wald gemietet. Das war ein Schock, gerade wenn man im bisherigen Leben aus dem Koffer und in Großstädten gelebt hat.

5 Jahre später hat er Salli dann beim Backpacken in Südostasien kennengelernt. Sie lebte damals in Indien, wo sie als Künstlerin arbeitete. Sie hat Graffitis und Murals gemalt und geholfen, in Schulen zu unterrichten. Raphael hat sie dann eingeladen, Midsommar nach Schweden zu kommen, sie kam schon im März und blieb …

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„Es muss nicht das Modernste sein, das Neueste oder das Hippste. Es muss das Beste sein.”

Salli Partanen ist die Seele des Hauses. Sie steht lieber in der Backstube als im Rampenlicht, aber sie ist verantwortlich für all die Leckereien, die es hier zu verputzen gibt. Die Selfmade-Bäckerin ist in Lappland ganz oben im Norden Finnlands, in Tornio geboren. Sie studierte bildende Kunst – und heute beherrscht sie definitiv die Kunst des Backens.

Sie zapft uns einen leckeren Americano und einen Cappuccino aus der nochmals mit Holzgriffen veredelten Siebträgermaschine aus den 90ern. Alles, was die beiden herstellen, ist geprägt durch viel Liebe zum Detail.

„Es muss nicht das Modernste sein, oder das Neueste oder das Hipste. Es muss das Beste sein. Und das Beste ist gute, alte Qualität, die lange hält und die ich selber warten kann. Es gibt hier weit und breit keinen Service, niemanden, der mir helfen kann, so eine Maschine zu reparieren.”

Aber: Es gibt einen neuen Ofen. Der Alte ist zu einer Bäckerei nach Lillehammer in Norwegen gegangen. Es sind große Fans, die sich einen Sauerteigstarter geliehen haben und dann angefangen haben, Brot zu backen. Mittlerweile haben sie ihre eigene kleine Bäckerei und auch ein kleines Brothaus, es läuft prima.

Übrigens, alles, was nicht verkauft wird (und, ich kann mir nicht vorstellen, dass es viel ist), kommt nach 18 Uhr ins Brothaus und wird für 50 % angeboten. Sollte am nächsten Tag tatsächlich noch etwas da sein, wirds verschenkt. Die beiden produzieren komplett, ohne etwas wegzuschmeißen.

 

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Wir gehen nach hinten in die Backstube. Dort laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Der Teigmixer (Doughblender), 43 Jahre alt, aus der DDR, läuft ebenfalls, perfekt. Das Besondere: Er hat keinen Wirker und ist deshalb auch keine Anschlagmaschine, so wie wir sie kennen. Hier rotiert der Kessel mit einem Hebemechanismus. Im Prinzip imitiert die Maschine die Handbewegungen. Wie gesagt, gute alte Qualität.

„Es gibt viele selbst gemachte Werkzeuge, die auf unsere Zwecke angepasst sind. Anstelle einer Plastikvariante gibt es diesen Holzdrücker, mit dessen Hilfe der Teig in die Form gepresst wird.”

Jetzt gerade machen sie dänisches Roggenbrot mit vielen Sonnenblumenkernen und Leinsamen. Kein Wunder, in der Backstube begegnen wir Clement. Er ist Däne und hat  in Kopenhagen als Bäcker gearbeitet, übrigens der angesagtesten Bäckerei der Stadt.

Salli stemmt einen 25 Kilo Sack mit Mehl und füllt ihn zum Wasser in den Teigmixer, es staubt ein wenig. Mit jedem Handgriff wird hier ein Handwerk zelebriert. Zum Wasser, Mehl und Salz gesellen sich die Zutaten Kraft, Konzentration, Geduld, Liebe und Hingabe.

Nebenan wird Haferporridge zubereitet mit ganz grobem Hafer, der nur flach gedrückt ist und nicht geschreddert wie normalerweise. Er kommt später in das Haferbrot und das ist unser persönlicher Favorit, megalecker. Das Besondere an diesem Brot ist, das wirklich gekochter Haferbrei hineinkommt, der sich lange richtig schön vollgesogen hat.

Alle Zutaten, die verwendet werden, sind komplett öko, logisch. Aber auch in Schweden ist es so, dass man sich zertifizieren lassen muss, wenn man es ausweisen will. Im Jahr kostet das 25.000:kr (oder ca 2.500€) Die beiden sind dagegen, das Modell zu unterstützen, aber sie leben die Philosophie.

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“Wir probieren gemeinsam neue Sachen aus und  lernen voneinander.”

Das Sommer-Café ist dieses Jahr ein kleiner Test, um zu schauen, wie wir profitabel sein können, sagt Raphael. Die Idee ist, nicht zu groß zu werden, und den Spaß an der ganzen Sache behalten.
Montag ist aktuell der einzig freie Tag; Dienstag werden die typisch skandinavischen Kanel- & Kardemummabullar produziert;
Mittwoch ist Vorbereitung für die Croissants und anderen süßen Waren; Donnerstag werden die letzten Teige abgemischt. Dann geht alles in den Verkauf.

In diesem Jahr haben die beiden Mitarbeiter eingestellt. Im Service, Clement als Bäcker und eine Barista, sie stammt aus Ungarn, man möchte schließlich international bleiben. Sie haben sich bewusst gutes Fachpersonal gesucht, um Entlastung zu bekommen und um die Qualität hochzuhalten.„Juno” heißt übrigens die Bäckerei in Kopenhagen und dessen Gründer, Emil Glaser, kommt vom NOMA, hat dort viele Jahre als Koch gearbeitet. Clement war von Beginn mit dabei und kann hier sein Wissen teilen und Neues lernen.

Inspirationen holen sich alle gegenseitig aus vielen Bereichen. Die Offenheit, der Austausch mit anderen, Einflüsse anderer Kulturen, Familie, Freunde, Musik, Kunst und Reisen.

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Brot und Kultur

Salli und Raphael sind häufig in Thailand unterwegs. Im Norden, besonders in Chiang Mai gibt es eine spannende Kaffeeszene, von der sie sich gerne inspirieren lassen.

In San Francisco und Skandinavien findet man eine wachsende Sauerteigbrot-Kultur. Auch Schweden hatte einmal eine Brottradition, die im Zweiten Weltkrieg komplett verloren gegangen ist. Als Industrienation, die nicht in den Krieg verwickelt war, hat sie große Teile Skandinaviens mit Brot versorgt. Um es zu besser lagern zu können, wurde Zucker verwendet. Zucker war damals ein probates Konservierungsmittel und machte es bis zu 3 Monate haltbar. So wurde Brot komplett süß und die Schweden haben es beibehalten, bis heute.
Durch Unternehmungen wie diese besinnen sie sich gerade zurück.
Kleiner Ortswechsel, der Teig muss gehen. Wir gehen auch, mit Raphael ein paar Schritte zu ihrem Privathaus und ernten im Garten die letzten Schwarzen Johannisbeeren. Daraus machen sie süßsauer-scharfes und pikantes Chutney für ihre Käsebrote. Wir bekommen das Rezept und auch einen Topf voll mit Beeren …
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Johannisbeerchutney à la Loshult

  • 500g frische Beeren
  • Saft einer Bio Zitrone
  • richtig viel frisch gehobelten Ingwer
  • (nur Mut)
  • Honig oder Apfelsüße
  • 1 frisch gehackte Chili

Die Beeren mit dem Saft einer Zitrone in den Topf geben und schon etwas einkochen lassen. Dann den Ingwer und die anderen Zutaten hinzugeben. So lange auf kleiner Flamme unter Rühren einkochen, bis es eine festere Konsistenz hat. Dann in Gläser abfüllen und abkühlen lassen (ca. 1 Woche im Kühlschrank haltbar).

Wir haben es auf unserem Campingkocher ausprobiert, Kochzeit ca. 30 Minuten. Das (Sauerteig)Brot kann dann original mit einer Kräuterquarkcreme, frischen Salatblättern und Käse belegt werden. Darauf das Johannisbeerchutney #speichelfluss

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Das war ein ganz herrlicher Ausflug und die Zeit verflog wie im Flug. Ach ja, fliegen möchte Raphael bei den schönen Bedingungen heute ja auch noch …

Gut gelaunt stapfen wir also zurück in die Backstube und kommen gerade rechtzeitig um ein paar Bilder vom “Carving” des Landbrots zumachen. Der Teig ist inzwischen mehrfach unter ziemlichem Kraftaufwand in der Schüssel eingeschlagen worden (nur so wird er luftig), hat geruht, im Kühlschrank übernachtet und wurde mit viel Liebe bedacht, bis er jetzt seinen finalen Schliff bekommt. Eine scharfe Rasierklinge an einem Holzstab ist das Werkzeug, mit dem Salli kunstvoll ihre Zeichen in die Oberfläche ritzt. So wird das beliebte Signature Brot vollendet, bevor es in den Ofen kommt.

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Die leckeren Backwaren konnten wir euch leider nicht mitbringen. Wir haben die beiden aber nach ihrem Geheimnis für gutes Brot gefragt: Es ist das Mehl. Und davon haben wir 20 Kilo (jeweils 10 x Weizen und 10 x Roggen) eingepackt. Es kommt aus einer Mühle unterhalb von Göteborg. Diese ist berühmt für ihre Handwerkskunst und den einzigartigen Geschmack. Natürlich trägt es das schwedische “Krav” / Öko-Siegel.

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Tack

Liebe Salli, lieber Raphael, habt ganz herzlichen Dank für den tollen Tag bei euch in Loshult. Wir haben nicht nur viel über die Kunst des Sauerteigbrotbackens erfahren, wir haben auch zwei sehr kreative und sympathische Menschen näher kennengelernt.

Wir haben den Eindruck gewonnen, dass ihr das lebt, wonach die meisten von uns suchen und streben: nach einer stärkenden, ergänzenden und warmherzigen Beziehung und nach erfüllenden Aufgaben. Wir wünschen euch, dass ihr “das gute Leben” noch lange zufrieden genießen könnt. Hej så länge!

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Für alle, die sich mal auf den Weg machen wollen:

Loshult Handelsbod

Fornahässlevägen 4 Loshult, Sweden loshulthandelsbod@gmail.com www.loshulthandelsbod.com