blog aufmacher 1900 lemmel2

Der Kaffee der Lemminge

Bestimmt habt ihr schon die Geschichte von den Lemmingen aus dem Norden gehört, die in der Dunkelheit mit Kaffeebohnen aus Afrika durch den Golfstrom nach Hause schwammen, um sie mit ihrer Körperwärme in den schwedischen Bergen zu rösten? Nein? Nun, hier ist sie.
Blog Aufmacher 1900 Lemmel9

G

länzend steht sie da, die Zweikreis-Siebträgermaschine, für die man locker mal ein einfaches Monatsgehalt hinlegen kann, mit passender Mahlmaschine sogar zwei. Sie baut Druck auf, spuckt große Töne und am Ende landen konzentrierte, italienische 25 Milliliter extrahierten Espressos in der Tasse. Toll. Inzwischen geht der Trend auch wieder hin zum handgebrühten Schwarz, gerne mit sorgfältig abgewogener Bohnenware und langsamen Aufguss.

Im hohen schwedischen Norden rösten Lemminge seit Hunderten von Jahren ohne menschliches Wissen Kaffeebohnen in Gängen unter dem Schnee. Das wollen wir genauer wissen.

Als wir Anfang Januar, ganz spontan, um einen Interviewtermin bitten, schreibt Markus: „Klar können wir das machen. Aber ihr wisst schon, dass wir weit im Norden leben?” Ja, das wissen wir.

Gällivare. Ein Ort in der nordschwedischen Provinz Norrbottens län und der historischen Provinz Lappland, gut 70 Kilometer nördlich des Polarkreises. Knapp zehntausend Menschen leben hier, die meisten von der Kupfermine und das überdurchschnittlich gut. Doch da gibt es auch Markus Lemke und Rolf Nylinder mit ihrem Team und der Mission, die Welt mit dunkel geröstetem, grob gemahlenem Kaffee zu segnen.

In der weiteren Korrespondenz, verwies Markus dann noch einmal eindrücklich auf wirklich warme Kleidung, es seien um die -20° und wir würden gut 20 Minuten zu einer Hütte laufen.

Wir liefen daraufhin erst einmal in den nächsten Sportladen und stockten das Outfit um eine noch wärmere Jacke, Handschuhe und ein paar HeatPads auf. Dann machten wir uns auf den Weg nach Lappland, das Abenteuer Kaffee konnte beginnen.

Beitragsbilder Lemmel2 Beitragsbilder Lemmel4 Beitragsbilder Lemmel10

14 Uhr. Die Sonne sinkt, kaum, dass sie aufgegangen ist. Ich werde nervös, schließlich möchte ich das Erlebnis fotografisch festhalten und habe nur einen Aufsteckblitz dabei, eine Notlösung. Die Straßen sind vereist und wir müssen das ohnehin langsame Tempo weiter drosseln.

14:30 stehen wir am alten Bahnhof in Gällivare und erspähen kurze Zeit später den kleinen schwarzen Jeep mit weisser Aufschrift Lemmel. Wir folgen ihm auffällig durch die “Nacht”. Nach einer Weile halten wir an. Das erste Ziel scheint erreicht. Es dauert noch ein paar Minuten, bis wir uns die wärmenden Klamotten und dem Hund Mantel und Schuhe angezogen haben, dann wagen wir uns hinaus.

Nach dem heimischen “Hej” und der folgenden englischen Begrüßung merken wir, dass es prima auf Deutsch weitergehen kann, was Markus’ Vater zu verdanken ist und das Interview weiter erleichtert.

Beitragsbilder Lemmel6 Beitragsbilder Lemmel7

Das trifft weniger auf den Weg zu, den wir nun bis zur Hütte zurücklegen. Der Schnee liegt hoch und wir können nicht erkennen, weshalb es Markus irgendwann nach rechts in den Wald zieht. Wir pflügen uns einen Weg, nicht ohne wenigstens einmal ins weiche Weiß zu plumpsen. Hinfallen ist leicht, wieder aufstehen hingegen schwer. Die Lektion haben wir vom Leben bereits gelernt. Dann stehen wir vor der Hütte des Großvaters.

Nicht Schlafen - Nur Kaffee Nicht Schlafen – Nur Kaffee

Themawechsel.

Blog Aufmacher 1900 Lemmel3

“Du fragst 20 Schweden, wie man KokKaffe zubereitet und Du wirst 20 unterschiedliche Zubereitungen erfahren. Die einen klopfen 3-mal auf den Boden, damit das Glück kommt, andere klären den Kaffee mit den Schuppen der Barschhaut.” Markus Lemke

"Ohne Kaffee ist das Leben nur eine Wühlmaus". “Ohne Kaffee ist das Leben nur eine Wühlmaus”.

Markus füllt den Kessel mit Schnee, setzt ihn auf die Eisenplatte und bläst noch einmal gezielt Luft ins Feuer. Das Spezialwerkzeug hat ihm ein “Fan” aus Japan geschmiedet – Lemmel erobert die Welt.

Was es denn genau mit den Lemmingen auf sich hat, wollte ich wissen. Markus’ Miene wird ernst, wir spüren, er wird uns jetzt das Geheimnis verraten:

Jetzt hören wir nur noch das Knistern des Feuers und sind sicher. Hier, irgendwo unter uns, da sind sie und freuen sich vielleicht gerade genau so auf eine wärmende Tasse Kaffee, wie wir. Wir lauschen, sehen uns um und blicken in die verschmitzten Augen unseres “Pfadfinders”. Plötzlich sind wir nicht mehr sicher …

Lemmel2 1 9 Lemmel2 1 10 Blog Aufmacher 1900 Lemmel Markus Lacht

Wasserdampf steigt aus dem Kessel und hat fast den Siedepunkt erreicht. 95°-98° sind optimal, sagt Markus. Er öffnet den Elch-Lederbeutel. Der wurde mit pflanzlichen Substanzen gegerbt, damit nicht all die Tannine aufgesaugt und der Kaffee sein Aroma verliert. Das gehört zur Lemmel-Philosophie. Er schüttet das frisch gemahlene, grobe Kaffeemehl auf das Wasser. Auf die Frage nach der Menge antwortet er:

Aha. Dazu noch 1 Gr. Salz. Das sei wichtig und sorge für ein einzigartiges Geschmackserlebnis. Außerdem erinnert es an die äthiopischen Wurzeln, wo einst der erste Kaffee nur mit Salz getrunken wurde.

Nicht filtern, nicht rühren oder pressen. Er schiebt den Kessel jetzt auf die Fläche, unter der nur die Glut glimmt, genau richtig, um die Temperatur zu halten. Jetzt heißt es warten. Während der Kaffee brüht, kann man sich etwas Sinnvolles gönnen: Ein nettes Gespräch, die schöne Aussicht genießen, über das Leben nachdenken – auch das gehört zur Philosophie.

 

Blog Aufmacher 1900 Lemmel Kaffeesack Salz Blog Aufmacher 1900 Lemmel7 Blog Aufmacher 1900 Lemmel5

Die Zeit vergeht wie im Flug. Dem Hund ist es inzwischen zu kalt geworden, er hat sich in die Hütte auf ein Rentierfell zurückgezogen. Nach einer gefühlten Viertelstunde folgen wir ihm, der Kaffee ist fertig.

“Fika” nennt man die, für die Schweden unverzichtbare, Kaffeepause am Nachmittag. Das, was wir hier hoch über dem Polarkreis erleben, ist die Abenteurer Variante.

Markus packt ein paar Zutaten aus: getrocknetes Rentierfleisch von einem befreundeten Jäger, frisch gebackene Kanelbulle, die seine Freundin für uns gemacht hat und – „Kaffeost”.

Der Kaffee-Käse stammt aus der Tradition der Sami, die auf tagelangen Reisen mit ihren Rentieren keine Möglichkeit zum Kochen hatten. Über dem Feuer brauten sie Kaffee und legten Hartkäse hinein, der sie mit Nährstoffen versorgte.

Ich bin ein bisschen feige und greife zuerst zum Gebäck, dann zum Fleisch. Beides schmeckt vorzüglich. Den nur leicht abgekühlten Kaffee genieße ich aus der ebenfalls traditionellen finnische Kuksa aus Maserbirke, Pia wählt den glänzenden und gut isolierenden Kupferbecher von Lemmel. (Übrigens: Auch das Merchandising lässt Abenteuerherzen höherschlagen!)

Der Schwede behauptet beim Einschenken, das Glück ist in der ersten Tasse Der Schwede behauptet beim Einschenken, das Glück ist in der ersten Tasse Beitragsbilder Lemmel14 Blog Aufmacher 1900 Lemmel8 Lemmel2 1 Blog Aufmacher 1900 Kaese

Ich höre ein leichtes Quietschen. Meine Blicke wandern zu Pia. Die war schon etwas mutiger und kaut offensichtlich genüsslich auf den kleinen Käsestücken herum, von denen weitere noch munter im Kaffee schwimmen. Viel Eigengeschmack hat er nicht, vielmehr nimmt er etwas von dessen Aroma an und er quietscht beim Kauen wie Halloumi. Natürlich bin ich kein Weichei, schon gar nicht bei inzwischen -22° und werde auch um diese interessante Erfahrung reicher.

Blog Aufmacher Lemmel Pia Trinkt1

Wir saugen nicht nur das besondere Geschmackserlebnis, sondern auch all die außergewöhnlichen Eindrücke auf und sind uns sehr darüber bewusst, welchen einzigartigen Moment wir gerade erleben.

Markus erzählt, wie er als Sportler zum Kaffee kam: Als SnowBoard-Profi war er weltweit auf den Ski-Pisten unterwegs, bis eine Knieverletzung seine angehende Karriere beendete. Er wechselte die Seite und arbeitete als Distributor in der SnowBoard-Branche. Der Spaß hielt jedoch nicht lange an. Seinem Kumpel Rolf ging es ähnlich. Auch er war als aktiver Snow-Boarder sehr erfolgreich. Doch er wollte nicht mehr durch die Welt reisen. Beste Ausgangsposition für einen Neustart.

Die beiden Männer trafen sich in Markus’ Büro in Stockholm. Beim Brainstormen tranken sie Kaffee. KokKaffe. (Kochkaffee) Die beiden Männer lieben den langen Winter, das Fischen und die Traditionen der Skandinavier. Doch wann immer sie einen Kaffee genießen wollten, bekamen sie zwar Spezialitäten aus aller Welt, nur keinen KokKaffe.

2013 wird Lemmel geboren, im Namen der Lemminge. Es ist der erste dunkel geröstete KokKaffee, der Tradition verpflichtet und mit einer fast unglaublichen Geschichte.

Markus Lemke & Rolf Nylinder Markus Lemke & Rolf Nylinder

Inzwischen sind die beiden sehr erfolgreich und immer noch mit Spaß dabei. Das liegt nicht zuletzt auch an der Haltung und der Einstellung zur Arbeit, die nicht das Wichtigste im Leben (der Schweden allgemein) zu sein scheint. Freizeit, Freunde, das Leben in der Natur und die Familie haben einen hohen Stellenwert. Genau so, wie Freude an dem, was man tut. Das kann man bei Lemmel sehen und schmecken!

Der Erfolg gibt ihnen recht und doch erscheint er ihnen eher unangenehm. Die beiden sagen mittlerweile viele Interviewtermine ab, um nach außen keinen Neid zu erwecken, auch typisch schwedisch.

Heute beschäftigen Markus und Rolf 3 weitere Mitarbeiter, wachsen Jahr um Jahr in dem Tempo, welches nach ihrer Ansicht angemessen ist und verkaufen ihre Spezialitäten bis nach Japan.

Die schwedischen Handelsketten klopfen jedes Jahr erneut an die Tür. Doch dort wollen sie ihren Kaffee auf keinen Fall sehen. Den jungen Familienvätern ist ein einvernehmliches Leben mit der Natur, als deren Teil sie sich verstehen, wichtig. Sie beziehen ihre zwei verschiedenen Bohnen aus Peru und Honduras, dunkel geröstet, von einem schwedischen Importeur, der seine Kaffeebauern persönlich kennt.

Draußen hat sich die Tageszeit inzwischen der Dunkelheit angepasst. Der Kaffee ist getrunken, wir packen ein und waten durch den Tiefschnee mit unseren Stirnlampen zurück zu den Autos. Markus schenkt uns seinen Lederbeutel, voll mit KokKaffe. Er hat nun seinen festen Platz in unserem Explorer.
Für uns geht es weiter Richtung Norden auf der Suche nach dem Polarlicht.

EPILOG:

Wir übernachten am Fuße der Berge von Gällivare, einem beliebten Skigebiet. Tatsächlich stehen hier einige skiverrückte Dauercamper, die jede Tageslichtminute zum Sporteln nutzen, obwohl die Hänge im Dunkeln beleuchtet werden.

Wir genießen das Frühstück, natürlich mit  einem KokKaffe. Den kann man schließlich auch auf einer Gasflamme kochen, das ist weniger romantisch, aber auch lecker.

Dann machen wir uns auf den Weg. Als wir mit “Karlsson” um die Ecke biegen, hält ein schwarzer Jeep neben uns. Es sind Markus und seine Freundin, auf dem Weg zum Snowboarden. Ein letztes, freundliches “Hejdå” und ein riesen Dankeschön für dieses unvergessliche Erlebnis.

Blog Aufmacher 1900 Lemmel Poster Kessel

Lemmel Kaffe

Markus Lemke & Rolf Nylinder