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Ich esse, also jage ich

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ugegeben, der Verzehr von Fleisch ist ein gesellschaftlich heikles Thema. Auch wir stellen uns immer wieder den Fragen: Darf man Fleisch essen, welche Art der Tierhaltung ist “artgerecht”, wie schädlich ist der Konsum für die Umwelt? Die Frage nach dem “ob”, ist eine ethische und damit philosophische Frage und sollte aus unserer Sicht jeder Einzelne für sich selbst beantworten. (Noch) über 90 % der Bevölkerung hat sich dafür entschieden, wobei man durchaus hinterfragen darf, ob es eine Entscheidung oder einfach nur eine Gewohnheit ist?!

In diesem Blog dreht sich alles um “gute Lebensmittel”, dazu gehört auch Fleisch. Wir wollen an dieser Stelle der Frage nachgehen:

Gibt es eigentlich “gutes Fleisch”?

Die Rinderzüchterin Anna Butz, selbst Veganerin, hat sich dafür entschieden, Menschen Fleisch von Tieren anzubieten, die – aus ihrer Sicht – ein gutes Leben hatten. Fabian Grimm hat schon früh beschlossen Vegetarier zur werden. Der Gedanke, Fleisch aus Massentierhaltung zu konsumieren, war dem damals Sechzehnjährigen unerträglich und den schönen Bildern von glücklichen Schweinen, Rindern und Hühnern auf den Verpackungen, all den Werbeversprechen und auch den Siegeln vertraute er nicht mehr. Nach und nach hörte er auf Fleisch zu essen.

“Fleisch lässt sich tatsächlich tiergerechter erzeugen, als Milch.”

Ein paar Jahre später zog er mit seiner Freundin zusammen in eine Wohnung. Die beiden kochten viel und gerne, vorzugsweise indisch und natürlich vegetarisch. Die gemeinsamen Reisen zu Freunden nach Schottland veränderten nach und nach den Blick auf das Thema. Dort nahmen sie am echten Landleben teil, kümmerten sich um die Schafe und deren Lämmer, die rund um den Ort verteilt, auf saftigen Wiesen weideten. Die Tiere führten augenscheinlich ein gutes Leben, draußen in der Natur, mit viel Bewegung, Nähe zu ihren Artgenossen und gelegentlich ausgelebtem Freiheitsdrang. Nach dieser Zeit im Herbst und Winter wurden sie verkauft und geschlachtet.

Diesen vermeintlichen Widerspruch von liebevoller Pflege und absehbarem Ende diskutierten die beiden offen und kritisch mit ihren schottischen Landwirt-Freunden. Bei Milchschafen sähe das Leben anders aus, erfuhren sie, diese müssten im Stall oder ganz in der Nähe bleiben. Fleisch lässt sich tatsächlich tiergerechter erzeugen, als Milch.

Ein paar Wochen Schottland wirbelten plötzlich das gesamte Weltbild von Fabian durcheinander. Zu Hause dachte er weiter über Zusammenhänge nach, und er realisierte, dass auch er als Vegetarier maßgeblich zur Beeinflussung der Umwelt beitrug.

Seine Freundin entschied sich dann aus Interesse für ein Forstwirtschaftsstudium zu dem in den meisten Fällen der Jagdschein gehört. Und so unerwartet trat sie in sein Leben, die Jagd und damit der Gedanke, zu hundert Prozent selbst erzeugte Lebensmittel herzustellen. Inzwischen war ihm klar, dass er mehr die direkte Verantwortung für seine Ernährung übernehmen wollte. Für Fabian gab es zwei Wege, den der ständigen Recherche und Kontrolle oder den, Jäger zu werden. Zwei Monate später hatte er die Prüfung bestanden.

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Anfang Dezember 2020 in der Nähe von Bayreuth. Wir sind mit Fabian Grimm im Wald verabredet. Der Boden ist schneebedeckt und es ist kalt.

Zu Hause lebe ich im Wald. Regelmäßig stehen Rehe im Garten und beim Hundespaziergang können einem Hasen und Wildschweine begegnen. Häufig höre ich Schüsse, zucke immer wieder zusammen und bin froh, wenn ich nur einen vernehme, dann wird es hoffentlich schnell gegangen sein. Ich ärgere mich über die vielen Hochstände und kann sie eigentlich nicht leiden, die Jäger. Mein Bild ist geprägt von Geschichten über reiche Männer, die es reizvoll finden, Tiere zu töten und sich mit Trophäen zu schmücken. Ich kenne einen persönlich, der dafür bezahlt im Ausland große Tiere zu erlegen. Von einer ehemaligen Jägerin kenne ich auch die Gegenseite, die der Hege und der Pflege, der Verantwortung und Achtsamkeit. Ich bin ein wenig aufgeregt, was wird uns heute erwarten?

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Akira springt auf Kommando aus dem Auto und bricht sofort das Eis. Die junge Hündin, ein “Kleiner Münsterländer”, ist sehr aufgeregt, was vielleicht auch an der Kiste liegt, die Herrchen in den Händen hält. Zwei befellte Beine schauen heraus. Fabian hat einen Hasen dabei, den er vor wenigen Tagen geschossen hat und heute mit uns zerlegen möchte.

Wir stapfen nun brav neben den beiden durch den Bayerischen Wald auf der Suche nach einem geeigneten Ast. Die erste Lektion die wir dabei von Fabian Grimm lernen ist: Jagd ist mehr, als Wild zu erlegen.

“Zu meinem Selbstverständnis als Jäger gehört auch, mich intensiv mit dem Wild und uns seinem Lebensraum zu beschäftigen. Ich möchte lernen, das ganze Ökosystem zu verstehen und auch die im Revier vorkommenden Kräuter, Pilze und Beeren bestimmen zu können.”

Wer seinen Social Media Kanälen folgt, erfährt viel darüber, was zu welcher Jahreszeit wächst und was man daraus zubereiten kann.

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Wir bleiben stehen, der passende Ast ist gefunden. Er nimmt den Hasen aus der Kiste und hängt ihn an zwei Haken an den Baum.

Die eine Schulter ist nicht mehr vorhanden. Dort ist der Schuss eingetreten. Fabian hat diese Stelle ausgeschnitten. Das Fleisch hat Akira bekommen.

Hasen waren in den 80er in großen Mengen sichtbar. Heute sind sie tatsächlich nur noch selten zu sehen. Sie brauchen die Gräben und Hecken der Feldbegrenzungen. Doch die gibt es mittlerweile kaum noch. Unsere Felder werden immer größer und damit zu unsicher für einen Hasen, der sich schützen können muss.

Langsam streift Fabian sich den silbernen Schutzhandschuh über und greift zum Messer. Ich schaue immer wieder zum Hasen, dessen Augen geöffnet sind, mir wäre es lieber, wenn sie geschlossen wären. Vermenschlichung? Mit jeder Minute wächst mein Gefühl dafür, dass dies wohl eine ziemlich ehrliche Art der Selbstversorgung ist, auch, wenn Meister Lampe das sicher anders sieht.

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“Jagd ist für mich weder Selbstzweck, Freizeitspaß noch Schädlingsbekämpfung, sondern in erster Linie eine Möglichkeit, Verantwortung für meine Ernährung zu übernehmen.”

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Ohne das Fell wirkt das Fleisch zunehmend abstrakt. Langsam wird zu dem, was wir aus der Theke kennen.

Wir reden nicht viel, möchten nicht stören. Fabian wirkt sehr konzentriert und man merkt ihm seinem Respekt an.

Bevor er auf die Jagd geht, macht er sich Gedanken darüber, welches Tier er jagen darf und ob er dies überhaupt will. Wie groß und schwer es sein soll. Er jagd ausschließlich für seine Kühltruhe. Bis heute hat er kein Stück Fleisch gekauft, noch kein anderes, als das Selbsterlegte gegessen.

Durch die Jagd hat Fabian sehr viel über die Tiere, ihre Essgewohnheiten und damit auch über Pflanzen und Pilze gelernt, die nun seinen Speiseplan ergänzen. Sammeln und Jagen gehören ganz eng zusammen. 

“Es ist aufregend, sich in die Tiere hineinzuversetzen und zu versuchen, ihren Lebensraum aus ihrer Perspektive zu sehen. Wo finde ich welche Spuren und Fährten? Wann fallen lecker, reife Eicheln vom Baum, gibt es dieses Jahr Bucheckern und was wächst auf welchem Feld. Welches Kraut schmeckt am besten und auf welcher Lichtung ist es zu finden? Welche geheimen Wege führen in sicherer Entfernung an den Häusern, Wanderwegen, Straßen und Hochsitzen der Menschen vorbei und in welchem Gestrüpp kann man sich am besten verstecken? Solche Dinge möchte ich herausfinden. Dabei gilt es, behutsam und sensibel vorzugehen, um ein möglichst unbemerkter Gast in dieser fremden Welt zu bleiben.”

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Wie im richtige Leben, bedeutet ein Schein noch nicht, dass man etwas kann. Auch zum Jäger wird man erst durchs Jagen. Das hat Fabian zu Beginn eine Weile hinausgeschoben. Dann war die Zeit reif. Zum Sonnenuntergang lag seine erste Beute vor ihm. Das Tier stand nur 10 Meter entfernt. Er identifizierte es als junges Reh, das geschossen werden dufte. Und er schoss.

Eigentlich hätte er ein Kalb und kein Weibchen erlegen sollen. Eine große Katastrophe. Zum Glück muss das Reh fast taub gewesen sein und so alt, dass es nicht mehr die Kraft hatte, den Nachwuchs auszutragen. Die Aufregung und Angst hatten wohl einen Schleier auf Fabians Augen gelegt. Bis heute hat er sich den Respekt bewahrt und verzichtet eher auf einen Schuss, als das er ihn zu früh absetzt.

Zwei Tage lang dauerte es, bis das Tier in seine Einzelteile fertig zerlegt war und in die Tiefkühltruhe wandern konnte. Lediglich die Filets kamen sofort in die Pfanne und auch das nicht fehlerlos. Statt hitzebeständigem Öl nahm er Butter, das Fleisch hatte keine Kruste und war zudem völlig durchgegart.

Trotzdem überwog der Stolz, ein Lebensmittel auf dem Teller zu haben, dass er selbst erzeugt hatte.

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Der Hase ist zerlegt. Das Fell hat Fabian ein paar Meter in den Wald hinein, an eine Wurzel gelegt. Ein Stück wurde der Natur zurückgeben, was man ihr genommen hat, denke ich – etwas praktischer sieht es sicher der Jäger.

Bei unserer Verabredung baten wir Fabian ein paar Exemplare seiner Bücher mitzubringen und zu signieren.

Man soll ja nie nie sagen, persönlich kann ich mir jedoch noch immer nicht vorstellen ein Tier zu töten. Aber, der Tag hat meinen Blick auf die Jäger und auf die Jagd etwas verändert.

Ehrliche und regionale Ernährung mit Tieren, die ihre Bedürfnisse und Instinkte in Freiheit ausleben konnten – das ist die Philosophie von Fabian Grimm. Wir können lernen, noch mehr auf die Herkunft zu achten, generell weniger Fleisch zu konsumieren, mehr (freies) Wild auf den Speiseplan zu setzen und die Mahlzeiten mit Respekt und Achtsamkeit zu begleiten.

Inzwischen ist es dunkel geworden, die Temperaturen sind noch einmal gesunken. Wir werden die Nacht wohl hier im Wald verbringen.

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Fabian Grimm

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